Während Zeitzeuge in seinem letzten Beitrag die Auswirkungen des Coronavirus auf die mögliche zukünftige Weltordnung umrissen hat, möchte ich sowohl den medialen Umgang mit diesem Thema in den Fokus rücken als auch das fragwürdige Vorgehen derjenigen, die darin die Verantwortung für unser Land tragen. Zunächst aber die Frage: Was hat das Coronavirus mit Russland zu tun?
Erst einmal nicht viel. Bei Spiegel online löste es aber alt bekannte Reflexe aus, indem das Medium sich gezwungen sah, die für seine typisch russlandfeindliche Berichterstattung unvermeidliche Frage zu erörtern: „Wie nutzt das Coronavirus Putin“? Jetzt, wo alle Welt Corona für sich entdeckt hat, würde der Schreckensherrscher im Kreml bestimmt die Gelegenheit ergreifen, im Schatten der Welt-Pandemie auch die Ostukraine an sich zu reißen. Natürlich nutze das Virus auch der AfD und sämtlichen Verschwörungstheoretikern und Cyberangreifern aus Sankt Petersburg, die nur darauf gewartet hätten, mit einem brandneuen Thema den verhassten Westen und seinen Medien eins auszuwischen. Und natürlich war sich das ZDF in seinen „heute“-Nachrichten Ende März nicht zu schade, sich in Yellow-Press-Manier über die Langsamkeit des Baus eines neuen Krankenhauses am Stadtrand von Moskau zu ereifern. Im Gegensatz zu den phlegmatischen Russen würden die rührigen Chinesen so ein Projekt in nur wenigen Tagen verwirklichen.
Dieser und ähnliche Sender des öffentlichen Rechts setzen sich in diesen Tagen besonders eifrig in Szene, um sich in der Deutungshoheit über die Corona-Krise zu behaupten. „Einordnen“ nennen sie das. Und es ist ihnen, wie schon im Kommentar zum Text von Zeitzeuge erwähnt, trotz objektiv nachvollziehbarer Versäumnisse der verantwortlichen Politiker und Institutionen erstaunlich gut gelungen, den Menschen vorzugaukeln, es gäbe in Deutschland ein Krisenmanagement, das alles im Griff habe. Und dies, obwohl der Gesundheitsminister noch vor einem Monat eine Pandemie in Deutschland für unwahrscheinlich hielt, das renommierte Robert-Koch-Institut zur selben Zeit beschwichtigend von einer „gewöhnlichen Grippe“ sprach, der Haus-und-Hof-Virologe von der Berliner Charite seine Theorien im Wochentakt ändert und die Kanzlerin noch vor wenigen Wochen eine Schließung von Grenzen innerhalb der EU für nicht notwendig hielt. Zu ähnlichen Umgereimtheiten ist Frau Merkel übrigens auch fähig, wenn es um ihre eigene Person in Krisenzeiten geht: Da ließ sie sich doch, kurz nachdem sie Kontakteinschränkungen verordnete, von einem Arzt, dessen Kontakt mit anderen Patienten die Gefahr einer Corona-Infektion nahe legen musste, eine Impfung verpassen. Welche Berater hat eine erste Frau im Staat, wenn sie sich von einem Arzt behandeln lässt, bei dessen tagtäglicher Arbeit sich das dringende Risiko einer Corona-Übertragung geradezu aufdrängt? Zu derselben Zeit verhängen Bund und Länder Kontaktbeschränkungen für die Bevölkerung, und nur kurz zuvor konnte der bayrische MP Söder nichts Absurderes tun, als – ähnlich einem Chefarzt bei seiner täglichen Visite – mit einer ganzen Gefolgschaft von mir nicht näher bekannten Personen vor die Kameras zu treten, um zu rechtfertigen, warum ab sofort Ansammlungen von mehr als drei Personen in Bayern verboten seien. Und jetzt, wo Gruppenbildungen geächtet und polizeilich geahndet werden können, setzt der deutsche Bundestag noch einen drauf und ruft im Zeitalter der Digitalisierung seine Mitglieder zusammen, um ein sicher gut gemeintes, aber wenig effektives Hilfspaket zu beschließen. Noch grotesker wird es, wenn einige derjenigen, die dort – und wenn auch nur für wenige Minuten – aufeinander gehockt haben, sich später darüber ereifern, dass Nordrhein-Westfalen einen Monat zuvor den Menschen noch erlaubt hat, trotz Corona gemeinsam Karneval zu feiern. Dem nüchternen Beobachter können sich bei derartigen Glaubwürdigkeitsverrenkungen nur die Haare sträuben. Solche Stilblüten lassen Menschen in einem Staat ihren Volksvertretern nur dann durchgehen, wenn sie sich soweit in die Ausweglosigkeit einer Situation haben hineindrängen lassen, dass sie am Ende meinen, es sei besser, ihr Schicksal lieber anderen anzuvertrauen, die die Probleme für sie „einordnen“. Diese Einordnungsmacht nutzt auch die Gunst der Stunde, sich jetzt mit der Fake-News-Keule unliebsame Medien vorzuknöpfen. Dass deutsche Behörden das Corona-Thema missbrauchen, um z.B. RT Deutsch unter Beobachtung zu stellen, zeigt die Entschlossenheit, den aktuellen Vorwand zu nutzen, um lästige Gegner endlich auszuschalten.
Bei aller Gefahr, die das Virus für uns alle bedeutet, müssen wir jetzt aufpassen, uns keinen Notstands-Modus aufzwingen zu lassen, der es zulässt, unter dem Deckmantel von Corona Reglementierungen einzuführen, die wir später alle bereuen könnten. Wachsamkeit ist in dieser Zeit mehr denn je geboten und jeder täte gut daran, sein Urteilsvermögen immer mal wieder einem Check-up zu unterziehen, damit Corona nicht den Bereich befällt, der gerade am meisten in Gefahr zu sein scheint – unseren gesunden Menschenverstand.