Die Bunderegierung hat sich mit ihrer, bis zum Fanatismus praktizierten werteorientierten Aussenpolitik, in eine gefährlich Lage manövriert. Der Merkel-Regierung fehlt es an Realismus und das in einer historischen Phase, wo sich die Weltordnung dramatisch verändert. Deutsche Politiker bejubeln sich selbst und klopfen sich auf die Schulter: man ohrfeigt die Diktatoren dieser Welt, preist die eigene liberale Standhaftigkeit, stopft Anedersdenkenden den Mund - und träumt davon, weiter eine deutsche Führungsrolle in der Welt zu spielen. Dem ist aber nicht so; Deutschland gerät zusehends in eine gefährlich Isolation. Die werteorientierte Außenpolitik hat ausgedient. Diejenigen, die diese Merkelsche Linie angeprangert und deswegen in Verruf geraten sind, müssen rehabilitiert werden. Realisten gehören wieder in die Talkshows ud als Kommentatoren in die Medien. Die Moralapostel in den Parteien und die Kreuzritter mit Weltverbesserungsmentalität sollten dagegen weniger Gehör finden.
Es sind die liberalen Medien in Deutschland, die die Politik zum ständigen Kampf gegen die "bösen Buben" Trump, Putin, Xi Jinping, Erdogan - und jetzt Johnson auffordern. Dem "Verrat liberaler westlicher Werte" soll sich die Bundesregierung mit aller Macht entgegenstellen. Und was sind die Folgen dieses "Entgegenstellens"? Nachdem die Bundesregierung dem Hongkonger Jungaktivisten Wong eine breite öffentliche Bühne in Berlin geboten hat, wo dieser praktisch zum Regime Change in seinem Land aufrief - wie einst ausgewiesene Sowjetdissidenten im Westen -, wird China in den bilateralen Wirtscchaftsbeziehungen Deutschland abstrafen. Dabei braucht der deutsche Export heute China mehr, als die Chinesen deutsche Technologie. Bei den Protestbewegungen in Moskau letzten August, haben deutsche Politiker und Medien sich auf Putin eingeschossen, weil er die liberale Opposition drangsaliert. Doch die russische Bevölkerung will keinen Regime Change in Russland und auch keine Liberalen in der Regierung. Wenn es eine Alternative zu Putin gibt, dann sind das die Kommunisten und Nationalisten. Hier fehlt es in Berlin an realpolitischer Analyse. Statt Chinesen und Russen zu erziehen, sollten sich deutsche Politiker und Medien darüber ängstigen, dass Moskau und Peking bald ein Bündnis gegen den Westen eingehen könnten.
Auch Erdogan wird die ständige Kritik an seinem autoritären Führunsstil aus Deutschland nicht mehr hinnehmen. Statt der EU beizutreten, liebäugelt die Türkei jetzt mit einem Bündnis mit Russland. Sieht man das in Berlin nicht? Die neu einsetzende Flüchtlingswelle arabischer Flüchtlinge nach Griechenland ist kein Zufall. Erdogan warnt Deutschland und die EU. Erdogan kann morgen schon mit Millionen von Flüchtlingen Europa überschwämmen und die EU destabilisieren. Sieht das keiner in Berlin?
Nun hat Deutschland einen weiteren Gegner der modernen Liberalen ausfindig gemacht: den britischen Premier Johnson. Es fehlt nicht mehr viel, bis auch er in den Klub der Diktatoren dieser Welt aufgenommen wird. Dabei versucht Johnson doch nur den Willen der Mehrheit der Briten, die 2016 für einen Brexit gestimmt haben, durchzusetzen. Dass die EU Großbritannien nicht aus der EU ziehen lassen will und auf ein zweites Referendum spekuliert, ist einem aufmerkamen Beobachter nicht entgangen. Großbritanien wird aber die EU verlassen und im gleichen Moment ein Bündnis mit den USA eingehen. Trump und Johnson werden dann vom Westen her Deutschland und die EU in die Zange nehmen - vom Osten her droht der gleiche Zangengriff seitens der Chinesen und Russen.
Deutschland träumt derweilen von einer neuen Revolution, die die Menschheit verändern wird - die große ökologische Wende zur Rettung des Klimas auf unserem Planeten. Andere Herausforderung in der gefährlichen weltpolitischen Großwetterlage igoniert man einfach. Eine liberale Vermenschlichung der Welt und eine weltweite grüne Revolution - beides soll von Deutschland ausgehen. Doch wer folgt Deutschland?